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Der Engel und das Einhorn

Vor vielen,vielen Jahren, als die Städte noch Dörfer waren, saftige Wiesen und grüne Wälder das Land schmückte soweit das Auge reichte, als kristallklares Wasser die Flüsse talwärts floß um sich bald mit der salzigen Gischt der Meere zu vereinen, als die Berge noch eine blütenweiße Krone aus Schnee und Eis trugen, da lebte in einem Dorf weit von hier ein Ehepaar. Der Mann hatte schon unzählige Winter gesehen und auch die Frau war längst ergraut.

Es ging ihnen gut. Sie besaßen eine Hütte, aus Lehm und Stroh errichtet, woran ein Fleckchen Ackerland grenzte, dass ihnen ausreichend Nahrung bot. Ein halbes Dutzend Hühner sorge für frische Eier und dann und wann spendete ihnen eines davon eine kräftige Suppe. Auf der Weide graste eine Kuh, dürr von Gestalt, aber dennoch gab sie bereitwillig Milch.

Die Hütte bot ihnen im Frühjahr Schutz vor den letzten Frösten, im Sommer spendete sie ihnen kühlen Schatten, im Herbst hielt sie die Stürme von ihnen fern und im Winter sorgte darin ein Kamin für wohlige Wärme. Es ging ihnen wirklich gut.

Nur ihr sehnlichster Wunsch, der war ihnen verwehrt geblieben. Wie sehr hatte sich dieses Paar ein Kindchen gewünscht. Nur ein einziges, denn sie waren bescheiden.
Als die Frau eines Tages wieder einmal im stillen Gebet versunken war, vernahm sie eine Stimme:

"Höre Frau. Du sollst ein Kind haben. Ich habe hier eine Seele, die übermäßiger Zuwendung und großer Liebe bedarf. Niemand außer dir und deinem Mann käme in Frage, dieses Kind zu dem Wesen zu erziehen, für das es gewählt ist. Doch, dieses Kind wird geboren, um zu sterben. Noch ehe es den achten Winter sieht, nehme ich es zu mir zurück."

Die Frau überlegte nicht lange. Schnell stimmte sie zu und gebar neun Monate später ein kleines Mädchen, so schön, wie die Welt es nie zuvor sah. Sie glich einem Engel. Ihre Wangen waren rosig, die Augen strahlend himmelblau, die silberschimmernden Locken fielen ihr bis auf ihre schmalen Schultern und ihr Lächeln war engelsgleich.

Die Jahre zogen ins Land. Längst hatten die Eltern vergessen, dass ihr Glück nicht halten sollte. Das kleine Mädchen schien nicht nur äußerlich ein Engel, nein, auch ihr Inneres, ihre Seele war wie die eines Himmelswesen. Die Menschen im Dorf liebten und vergötterten sie, genau wie ihre stolzen Eltern.

Dann nahte die Vollendung ihres achten Lebensjahres. Ihr sehnlichster Wunsch war es, zu diesem Freudenfest ein Pferd zu bekommen. Zwar hatten ihre Eltern alles, damit sie keinen Hunger leiden mußten, doch für ein Pferd reichte es nicht. Als die Dorfbewohner von diesem Wunsch erfuhren, gab jeder das, was er entbehren konnte und schon bald stand der Erfüllung nichts mehr im Wege.

Der Mann bat seine Tochter ihm zu beschreiben, welche Art von Pferd sie wünsche. Das kleine Mädchen nahm eine Hühnerfeder in die Hand und malte ein Bild in den Sand. Lange betrachtete der Vater das Bild. Er schüttelte mit dem Kopf. So ein Pferd, silbergrau, mit sanften Augen, einem Horn inmitten der Stirn, das gab es nicht. Behutsam erklärte er seinem Töchterchen, dass es Kühe gab mit Hörnern. Ziegen - aber ein Pferd? Nein.

Die Kleine wollte aber kein anderes. Es mußte ein Horn haben. Sie wurde traurig, sehr traurig. Bis sie anfing, zu kränkeln. Schon nach wenigen Tagen hatte sie keine Kraft mehr, auf zu stehen. Die Eltern waren verzweifelt. Waren ihnen doch jene Wort wieder eingefallen: "noch ehe es den achten Winter sieht...."

Sie wollten dieses Kind nicht verlieren, sie versuchten alles, um es zu retten. So kam es, das man Heiler und Magier in die Hütte ein und ausgehen sah. Bis der letzte Taler verbraucht war.

Zwei Nächte vor dem achten Geburtstag ihres Kindes wurden die Eltern von einem fröhlichen Jauchzen ihres Engels geweckt. Sie blickten sich an. Sollte ihr Kind geheilt sein? Dürfte sie bei ihenen bleiben? Mit zitternden Beinen erhoben sie sich von ihrem Nachtlager, gingen zur Kammer ihrer Tochter und öffneten die Tür. Das Mädchen kniete mitten im Raum, hatte die Arme um den Hals eines silbergrauen Wesens gelegt, schmiegte sich dicht an diese liebliche Gestalt. Ein Pferd, ein Fohlen noch. Mit einem Horn mitten auf der Stirn. Wie erstarrt betrachteten die Eltern dieses Bild. Woher kam das Einhorn?
Das Fohlen hob den Kopf und blickte sie aus sanften Augen an. Sein Blick sprach: "Sorgt euch nicht um euern Engel. Es geht ihm gut." Stumm nickte das Elternpaar und sie kehrten zurück in ihr Schlafgemach. Bald darauf waren sie wieder eingeschlafen.

Als sie am morgen erwachten, war es merkwürdig still. Nicht einmal die Vögel in den Bäumen sangen ihre vertrauten Lieder. In ängstlicher Vorahnung betraten sie den Raum, in dem ihre Tochter schlief. Da lag sie auf dem Bett. Die Augen fest verschlossen. Mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Wie ein kleiner Engel auf Erden......

Wenige Tage später folgte das alte Ehepaar ihrer Tochter. Für die Fürsorge und Liebe, die sie dieser Seele schenkten, war ihnen ein hübscher Platz im Paradies gewährt, wo sie mit ihrer Tochter noch heute glücklich vereint sind.

Diese Geschichte erzählte mir mein Freund Feodor. Als wir, wie so oft, gemeinsam am Feuer im Steinkreis saßen.

Ja, es gibt sie, die Einhörner. Schließlich lebte ich lange Zeit bei ihnen. Damals, im Land Thy. Eine traurige Geschichte, auch ich weinte seinerzeit, als Feodor sie mir mit leiser, sanfter Stimme verkündete.

Doch seid ihr jemals, ein einziges Mal nur, einem Einhorn begegnet, dann werdet ihr verstehn, warum ein Engel auf Erden kommt. Nur durch die Kraft des Wunsches eines solchen Engels wird ein Einhorn geboren. Um dann die Seele des Engels in sich aufzunehmen. Bis in alle Ewigkeit.

Betrachtet euch solch ein wundervolles Geschöpf und ihr werdet es verstehen.

©Anka - Homepage

Das Urteil des Einhorns Geschichten - Spannende Kurzgeschichten von und für Groß und Klein. Der Mensch und das Einhorn